Wandmalereien

Balve

Katholische Kirche St. Blasius, Kirchplatz 1


Balve, kath. Kirche St. Blasius, Grundriss (durch Anklicken der roten Markierungen werden die Kartierungen geöffnet).



Baukörper
Hallenkirche von drei Jochen mit Querhaus, Westturm und Chor mit halbrunder Apsis. Das Querhaus weist östliche Nebenapsiden auf. Auf der Nordseite erweitert durch Anbau eines neuromanischen Zentralbaus.

Baudaten
Chor und Querhaus Ende 12. Jahrhundert, Langhaus und Turm um 1240. Zentralbau 1910-11.

Romanische Raumfassung
1965/70 und 1981 unter Einbindung von Fragmenten der bauzeitlichen Raumfassung zurückhaltend rekonstruiert, restauriert 2012.
Auf den Baugliedern des älteren östlichen Baukörpers ließen sich in Chor- und Querhaus nur noch Spuren der grün gequaderten Bogenstirnen finden. Auf der Stirnseite des Bogens der Chorapsis scheint auch heute noch unter dem zur spätromanischen Ausmalung gehörigen Blattfries eine hellgrüne Quadermalerei mit erhabenen weißen Fugen durch, die von einer farbigen Ausgestaltung der Ostteile im ausgehenden 12. Jahrhundert zeugt und auch auf den Bogenstirnen in der Vierung rekonstruiert ist.
Im Langhaus übernimmt die Raumfassung von ca. 1250 die kleinteilige Gliederung, die aus dem heimischen, sauerländischen Stein nur schwer herauszuarbeiten war. So rechnen z. B. die im Langhaus durchgängig verwandten Knollenkapitelle sicher mit einem gemalten Blattkranz, wie er bei ähnlich geformten Kapitellen in Wormbach aufgedeckt werden konnte. Die Halbsäulen mit ihrer durch Befunde belegten roten, grauen und grünen Fassung mit weißen Fugen stehen im wirkungsvollen Kontrast zu den weiß belassenen Pfeilerecken. Die Stirnseiten der Joch- und Scheidbögen des Mittelschiffs sind im Wechsel mit vier verschiedenen Marmorierungstypen gequadert, wovon noch einige Befunde vor allem im Westjoch zeugen. Die Bogenuntersichten trugen einst wohl auch einen Dekor: Auf dem Gurtbogen zwischen Ost- und Mitteljoch zeigt sich ein von hellen Begleitstreifen gerahmtes rotes teppichartiges Muster auf weißem Grund, das aus einem Raster aus schräg gestellten Quadraten mit Kreuzen auf den Schnittstellen besteht. Anders als bei vielen westfälischen Ausmalungssystemen romanischer Zeit fanden sich in den Gratgewölben des Mittelschiffs keine Zwickelschuhe in den Kappenecken. Etwas über dem Kämpfer zogen sich jeweils die Grate aussparende begleitende Ornamentbänder mit Rankendekor bis zum Gewölbescheitel, der von einem zentralen Medaillon geziert war. Dieses konnte – wie das westliche Gewölbe mit einer Löwendarstellung noch zeigt – sogar figürlich ausgestaltet sein. Auf den Gewölbekappen fanden sich Reste von weiteren Medaillons und Lebensbaummotiven, die auf das himmlische Jenseits verweisen.
In den Seitenschiffgewölben, die als Quertonnen mit Stichkappen ausgebildet sind, sind keine Reste ursprünglicher Farbgestaltung vorhanden.

Figürliche romanische Wandmalerei
Chorapsis: Majestas Domini mit Heiligen über Propheten und alttestamentlichen Gestalten.
Südapsis: Legende aus dem Leben des hl. Nikolaus.

Werktechnik/Maltechnik
Vermutlich einlagiger Kalkputz, der relativ gleichmäßig geglättet ist. Auf dem bereits seit längerem abgetrockneten Putz wurde als Malgrund eine ca. 2 mm dicke, mehrlagige Kalktünche mit dem Quast aufgebracht. Ohne Vorritzungen erfolgte dann die Vorzeichnung in rotem Ocker in die noch feuchte Kalktünche. Im Bereich der Kalotte wurden die Nimben von Christus und den Heiligen sowie einige Teile des Thronsessels durch aus dem Feinputz herausgekratzte Eintiefungen plastisch hervorgehoben. Hier sind die Figuren aufwendiger gestaltet als weiter unten, so auch die Gesichter von Christus und Maria mit besonders differenzierter Modellierung. Konturen wurden mit Caput Mortuum oder Schwarz angelegt. Vergoldungen finden sich häufiger in der Kalotte, so auf den durch Eintiefung plastisch akzentuierten Bereichen, aber auch an Gewändern und Attributen, in der Fensterzone nur an den Nimben der Propheten. Die Bildhintergründe waren einheitlich blau (Azurit), heute sichtbar ist die ockerfarbene Untermalung. Im mittleren Bereich der Nikolauslegende ist die komplette Malschicht mit Vorzeichnung, Binnenfarbigkeit, Konturen und aufgesetzten Lichtern noch vorhanden. Die Pigmente sind hier freskal in der Kalktünche abgebunden. Verwendet wurden u.a. die folgenden Pigmente: Eisenoxidrot, Gelber Ocker, Roter Ocker, Grüne Erde, Umbra, Zinnober, Kupfergrün, Azurit. Mennige, Bleiweiß.

Restaurierungsgeschichte
1911 teilweise und 1915 vollständig (bis auf Teile der gotischen Übermalung) freigelegt, anschließend durch historisierende Übermalung restauriert. 1967/68 erneute Freilegung und Restaurierung. 2016 Konservierung des Bestands. Die zu etwa 60 Prozent überkommene romanische Malerei zeigt trotz der Verluste, die auch durch die schlechte Haftung des Malgrundes (Kalktünche) auf dem Putz bedingt ist, noch gut erhaltene Partien mit plastisch gearbeiteten, ehemals vergoldeten Partien und sorgfältig gestalteten malerischen Details, die von einer hohen Qualität der Ausführung zeugen.

Beschreibung und Ikonografie
Die Kalotte wird beherrscht von dem alles überragenden Bildnis des endzeitlichen thronenden Christus in einer weit ausgreifenden Mandorla, umgeben von den Evangelistensymbolen. Seine Rechte hat er im Segensgestus erhoben, mit der Linken (Malschicht heute verloren) hält er das aufgeschlagene Buch, das auf seinem Oberschenkel ruht. Zur Rechten Christi steht Maria mit erhobenen und bittflehenden Händen. Gemeinsam mit dem zur Linken Christi und damit ihr gegenüberstehenden Johannes d. Täufer im gleichen Bittgestus wird die Deesisgruppe gebildet, bei der sich die beiden Heiligen, um Gnade für die Menschen flehend, an den Weltenherrscher wenden. Die beiden jeweils außen stehenden Heiligen sind links wahrscheinlich als hl. Nikolaus im bischöflichen Ornat und rechts wahrscheinlich als hl. Blasius zu identifizieren. Dieser ist als Märtyrer barfüßig und mit einem Kreuzstab nicht eindeutig bezeichnet, der Platz seitlich der Deesisfiguren ist jedoch häufig den Kirchenpatronen vorbehalten (z. B. in Soest, in St. Patrokli und in St. Nikolai). Diese beiden äußeren Figuren stehen im leichten Kontrapost und schauen frontal auf den Betrachter hinab.
In der Fensterzone sind seitlich der drei Rundbogenfenster vier überlebensgroße Figuren dargestellt, die mit Spruchbändern und Heiligenscheinen gekennzeichnet sind. Bis auf die südlichste, weibliche Figur (Königin von Saba?) sind sie als Propheten zu bezeichnen. Die Reihe der Propheten wird in etwas kleinerem Maßstab in den Fenstern fortgeführt; dort sind sechs weitere stehende Propheten mit Spruchbändern in die tiefen Fensterlaibungen gesetzt. Zentral im Scheitel der drei Fensterlaibungen ist je ein Medaillon angebracht: Im Ostfenster ist das Brustbild einer weiblichen Figur dargestellt, die mit ihrem Schleier als Gottesmutter zu identifizieren ist. In den beiden anderen Fenstern handelt es sich allem Anschein nach um Brustbilder von Propheten mit Schriftbändern, die somit das Ensemble zu zwölf alttestamentarischen Figuren vervollständigen.
1434 sind drei stehende Figuren je südlich der Fenster zu Aposteln umgestaltet worden, wovon noch ein als Referenzfläche stehen gelassenes Fragment des Matthäus mit aufgeschlagenem Buch und darin datierender Inschrift Nachricht gibt.
Der Bildfries in der südlichen Nebenapsis zeigt eine ungewöhnliche Legende aus dem Leben des hl. Nikolaus. Dargestellt sind mehrere Szenen, in deren Folge der hl. Nikolaus den Dieben eines Schatzes erscheint und sie zur Rückgabe desselben bewegt, woraufhin sich der Besitzer des Schatzes, ein reicher Heide, zum Christentum bekehrt.
Kunsthistorische Einordnung
Bei den Figuren der Kalotte und denjenigen des Nikolausfrieses sind viele motivische Übereinstimmungen zu finden. Die Ausführung der Malereien lässt sich somit eindeutig einer Werkstatt zuweisen. Innerhalb der Figuren können mindestens drei Malerhände geschieden werden: Die Christusfigur, die Heiligen Johannes und Blasius, die stehenden Propheten seitlich des Ostfensters, die beiden Propheten in den Ostfensterlaibungen und der Jude, der das Bild geißelt, scheinen von einer Hand zu stammen. Die farbig modellierten Gesichter der Maria und des Nikolaus in der Kalotte haben einen davon abweichenden Charakter. Wiederum anders und stärker grafisch angelegt sind die Propheten in der nördlichen Fensterlaibung. Wahrscheinlich waren die Blattfriese und die rahmenden Bänder einem weiteren, nicht auf Figuren spezialisierten Maler vorbehalten, sodass sich anhand dieser Beobachtungen ein vages Bild einer mehrteilig organisierten Werkstatt abzeichnet.
Stilistische Parallelen gibt es zur figürlichen Ausmalung der Soester Nikolaikapelle und zur Glasmalerei aus Bad Sassendorf-Lohne (heute im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster), beide aus Soester Werkstätten, und dem Figurenfragment in Dortmund-Wellinghofen, ohne dass hier dieselben Maler zu identifizieren wären. Enger noch sind die Verbindungen zur Buchmalerei, besonders zum Donaueschinger Psalter von einem wohl Hildesheimer Maler. Möglicherweise verfügten beide Maler über ähnliche Musterblätter, die bei ihren Ausführungen Pate standen, will man nicht eine engere Zusammenarbeit oder gar denselben Maler annehmen.
Die Balver Wandmalereien stellen mit ihren zurückhaltenden Ergänzungen und den vielen erhaltenen, sehr qualitätvoll ausgeführten Details und dem noch erkennbaren Gesamtentwurf ein bedeutendes Zeugnis des Zackenstils in Westfalen dar.

Datierung
Um 1250.